international workcamp
back


Einfürung | In Österreich | Organisatoren | Programm | Hauptthema | Teilnehmerliste | <- homepage




Einfürung

Die Tschechen sind alles Simulanten (wie schon Jaroslav Hašek wusste, nachzulesen im "Braven Soldaten Schwejk”). Die Polen leben noch in der sozialistischen Vergangenheit, singen gern Lobeshymnen auf den Genossen Lenin und binden Löffel am Tisch fest, damit sie keiner klaut. Die Österreicher tragen alle Lederhosen und Dirndl, sprechen ein kaum verständliches Deutsch mit lauter Schimpfwörtern ("Fiehrt die!”), und ihr wichtigstes Exportprodukt ist die Steirische Eiche (auch bekannt als Arnold Schwarzenegger). Und die Deutschen? Sind elende Bürokraten, bei denen nichts ohne Anträge und Formulare zu haben ist, nicht mal Sauerkraut mit Bratwurst und Kartoffelmus.








ZurückZurück homepagehomepage

In Österreich

So die beunruhigenden Erkenntnisse der europäischen Jugendbegegnung Campanella, die in den ersten beiden Septemberwochen im oberösterreichischen St. Florian statt fand. Na, dann kann man die Osterweiterung der Europäischen Union ja vergessen ...
Doch halt, stopp! Damit jetzt ja kein falscher Eindruck entsteht: Die genannten nationalen Eigenheiten (oder besser: Vorurteile) sind natürlich an den Haaren herbeigezogen. Und das auch noch von den jeweiligen Ländervertretern selbst. In Wahrheit sind sich die Jugendlichen aus den vier Ländern natürlich sehr ähnlich. Da mussten sie, um den Länderabenden bei Campanella einen eigenen Touch zu geben, auf solche (Auto–)Stereotype zurückgreifen. Die Abende endeten eh immer gleich: mit viel Musik, Tanz und auch dem ein oder anderen Glas Alkohol ;-). Das war schon letztes Jahr so, beim ersten Campanella–Treffen im böhmischen Rehlovice (siehe Artikel "Abenteuer Jugendbegegnung” in WXB Nr. 13) – und das wird auch in den nächsten beiden Jahren so sein, wenn Campanella in Polen und Deutschland Station macht.






ZurückZurück homepagehomepage

Organisatoren

Diesmal hatten sich Franz und Roland daran gemacht, die Jugendbegegnung zu organisieren. Die beiden Österreicher haben in den vergangenen zwölf Monaten ihren Zivildienst in der Begegnungsstätte Theresienstadt in der Tschechischen Republik absolviert. Nebenbei bereiteten sie Campanella 2002 vor. Sie mussten einen Ort für die Jugendbegegnung finden, das Programm ausarbeiten, Workshopleiter auftreiben, Anträge schreiben und so weiter. Wie in der letzten Ausgabe des WXB kurz berichtet, wurde auch das ehemalige Ghetto Theresienstadt im Sommer überflutet. Dem Freiwilligenbüro in der Begegnungsstätte und vielen Campanella–Unterlagen machte das Wasser ebenfalls den Gar aus. Franz musste in ein Internetcafé ausweichen, um den letzten Orgakram für die Jugendbegegnung zu erledigen.






ZurückZurück homepagehomepage

St. Florian

Auch St. Florian war bei der Flut etwas nass geworden, aber als wir Deutschen in der Nacht zum 2. September in dem Dorf in der Nähe von Linz eintrafen, war davon bereits nichts mehr zu sehen. Nach und nach füllte sich die HLBLA (Höhere Landwirtschaftliche Bundeslehranstalt) St. Florian, in deren Internat wir untergebracht waren, mit 25 Jugendlichen. Die Deutschen schöpften das Maximum von sieben Teilnehmern aus und stellten somit das größte Kontingent. Fünf Dresdnerinnen, ein Grimmaer und ein Wurzener (das bin dann wohl ich) vertraten unser Land bei Campanella. Insgesamt waren nur fünf Teilnehmer schon bei Campanella 2001 dabei, die anderen sind neu dazu gestoßen.






ZurückZurück homepagehomepage

Programm

Aber genug der Statistik. Viel wichtiger ist doch: Was machen 25 junge Leute aus vier Ländern zwei Wochen lang zusammen in einem kleinen Dorf in Österreich? Wie im vergangenen Jahr nahmen Workshops viel Raum ein. Gleich am ersten (richtigen) Tag forderte uns Lenka aus Tschechien auf, unsere ersten Eindrücke künstlerisch umzusetzen. Mit Stift und Papier oder auch mit anderen Materialien, die sich an den Florianer Stiftsteiche auftreiben ließen. Hier verbrachten wir viel Zeit – war bei dem tollen Wetter ja auch viel angenehmer als in der HLBLA. An den nächsten Tagen entstanden weitere Zeichnungen, Detailzeichnungen und dreidimensionale Umsetzungen dieser Details in Schattenform (kann sich das wer vorstellen?). Irena, eine gebürtige Slowakin, die seit vielen Jahren in Österreich lebt, zeigte uns in der zweiten Woche, wie man mit Naturfarben umgeht. Kaum zu glauben, was man mit Quark, Farbpigmenten, Eiern und Bier alles anrühren kann! Auch für künstlerisch nicht so begabte Menschen wie mich war das ganz interessant. Wann springt man sonst schon mal über seinen Schatten und probiert solche Techniken einfach aus?







ZurückZurück homepagehomepage

Hauptthema

Außerdem war es eine nette (und nötige) Abwechslung zu den ebenfalls außerordentlich interessanten, aber teilweise auch anstrengenden Zeitzeugengesprächen. Anstrengendend auch für unsere Gesprächspartner. Der 78–jährige Gottfried Hoislbauer hatte zuvor noch nie Fremden über seine Zeit in der Wehrmacht erzählt. Für uns machte er eine Ausnahme. Nachdem uns sein Sohn den Bauernhof gezeigt hatte, den die Familie bewirtschaftet, und wir alle mit Most versorgt waren, begann Herr Hoiselbauer:

Der Anschluss Österreichs

Den "Anschluss” Österreichs ans Dritte Reich habe die Mehrzahl der Leute anfangs bejubelt. Die wirtschaftliche Lage sei halt schlecht gewesen. Und die Nazis sorgten schnell dafür, dass die Menschen wieder Arbeit hatten. Doch als dann klar wurde, warum die Rüstung so hochgefahren wurde, sei die Stimmung bald wieder umgeschlagen. Auch dass die "Überproduktion” aus dem nun "Ostmark” genannten Teil des Reiches nach Deutschland abgezweigt wurde, passte vielen Österreichern nicht.

Zwangsarbeiter

Gottfried Hoislbauers Vater wurde von den Nazis als Bürgermeister abgesetzt: "Mein Vater sagte immer: Erst war ich viele Jahre Bürgermeister, dann war ich tausend Jahre kein Bürgermeister, und dann war ich wieder Bürgermeister.” Aber bevor er sein Amt wieder aufnehmen konnte, kam erst mal der Krieg. Auch Gottfried Hoislbauer wurde zur Wehrmacht eingezogen. Erst sollte er nur an der Heimatfront "dienen”, weil seine beiden Brüder bereits im Krieg umgekommen waren. Aber als es für die Deutschen eng wurde, musste auch der letzte Sohn an die Ostfront. Erst 1947 kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft in Polen und Estland zurück. Krank und geschunden. Den ukrainischen Zwangsarbeitern, die auch seine Familie während des Krieges auf ihrem Hof hatte arbeiten lassen, sei es besser ergangen als ihm: "Die haben dasselbe gegessen wie der Rest der Familie.” Die Zwangsarbeiter habe man damals einfach bei der Gemeinde "bestellen” können. Davon haben auch Hoislbauers Gebrauch gemacht. Ihre eigenen Knechte seien ja alle fort gewesen. Gottfried Hoislbauers Fazit: "Die Hauptsache ist, dass sowas nemma kimmt.” Damit alle Campanella–Teilnehmer die Ausführungen des alten Mannes verstehen konnten (und das fiel wegen seines starken Dialekts auch den Deutschen nicht immer leicht), übersetzte Franz seine Worte ins Englische, die offizielle Camp–Sprache. Der geschichtliche Faden wurde zwei Tage später wieder aufgenommen, als wir das ehemalige KZ Mauthausen besuchten, das unmittelbar nach dem "Anschluss” Österreichs im August 1938 eingerichtet worden war. In den Steinbrüchen von Mauthausen verbanden sich politischer Terror und Zwangsarbeit zur "Vernichtung durch Arbeit”. Nach 1942 entwickelte sich das KZ Mauthausen von einem Mordlager mit Steinbruch zu einem komplexen arbeitsteiligen, für Zehntausende Häftlinge tödlichen Netz von Lagern.

Vernichtungslager

Der Unterschied zu einem Vernichtungslager wurde immer geringer. Auch eine – kleine – Gaskammer gab es hier. Die SS tötete aber auch viele Häftlinge durch Massenerschießungen und Herzinjektionen. Insbesondere russische Kriegsgefangene wurden ohne viel Federlesens ermordet. Dieses Schicksal vor Augen wagte im Februar 1945 eine Gruppe von 500 Gefangenen einen Ausbruch. Der Beginn der berüchtigten Mühlviertler Hasenjagd, an der sich neben den Nazis auch viele Zivilisten beteiligten. Von den 500 Geflohenen überlebten nur elf diese Hetzjagd. Insgesamt starben von 1938 bis 1945 in Mauthausen und seinen Außenlagern ungefähr 100 000 Menschen.

Überlebende

Ladislav Zuk gehört zu denjenigen, die Mauthausen überlebt haben. Der Pole hatte bereits mehrere Jahre im Gestapo-Gefängnis in Warschau und im KZ Auschwitz hinter sich, als er 1944 erst nach Mauthausen und von dort in das Außenlager Ebensee gebracht wurde. "Als wir bei unserer Ankunft in Mauthausen duschen geschickt wurden, hab ich erst mal überprüft, ob die Brauseköpfe trocken waren.” Zum Glück waren es keine Attrappen, keine Gaskammer, sondern echte Duschen. Man kann kaum verstehen, mit welcher Ruhe der 83–Jährige uns am Nachmittag von diesen schrecklichen Jahren erzählte. Seit zehn Jahren macht er das jetzt, zuvor hatte auch er diese Zeit mehr oder weniger verdrängt.
25 Jahre alt war Zuk bei seiner Befreiung. Er wog nur noch 39 Kilogramm. "Ich wusste nicht, wo ich jetzt hin sollte”, erinnerte er sich. Sein Vater war bereits beim ersten Bombenangriff der Deutschen auf Warschau gestorben, seine Mutter später in Auschwitz ermordet worden. Der Pole entschied sich dafür, in Ebensee zu bleiben, heiratete eine Einheimische und nahm 1955 die österreichische Staatsbürgerschaft an. Im Gefängnis, im KZ – immer wieder musste er neu lernen, wie man (über–)lebt. "Und in der Freiheit war es wieder was anderes.”














ZurückZurück homepagehomepage

Teilnehmerliste

Alicia Kaminsk
Bożena Rozmus
Carolina Robero Rojas
Dominika Kowalska
Eva Müllner
Frank Schubert
Franz Brunner
Heidi Nagl
Inga Szypuła
Jakob Ráček
Johannes Grausgruber
Juliane Lunze
Justyna Niewiarowicz
Katja Starke
Katja Jähne
Lenka Holíková
Malgorzata Sadowska
Susanne Lunze
Tobias Haider
Uli Lask
Vita Habanová
Vladimír Kovařík
Zbyněk Hladký


ZurückZurück homepagehomepage





© 2002 text by
Frank Schubert





© 2004 designed by
Jan Kout